07.08.2019

„Unsere Stahlspeicher speichern erneuerbare Energie für 4 Cent und weniger.“

Mit Windkraft- und Solaranlagen sowie dem richtigen Speicher ist die dezentrale Versorgung mit sauberer Energie sowohl technisch als auch wirtschaftlich heute kein Problem für Unternehmen – gerade in küstennahen Regionen mit windhöffigen Standorten. MVeffizient hat mit Jennifer Hill von der Lumenion GmbH über die Vorteile des Hochtemperatur-Speichers mit Stahlkern und notwendigen Anpassungen hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Fördermöglichkeiten für Speichersysteme in MV gesprochen.

 

Jennifer Hill, Business Development Lumenion GmbH

 

MVeffizient: Speicher sind ein wichtiger Baustein bei der dezentralen Energieversorgung aus Sonne und Wind. Im privaten Bereich werden Speicher – gerade bei der Eigenversorgung mittels PV-Anlagen – immer beliebter. Wie sieht es derzeit mit der Nachfrage im gewerblichen und industriellen Bereich aus?

Jennifer Hill: In der Tat wächst die Nachfrage – und auch das Angebot – an Batteriespeichersystemen auch im gewerblichen und industriellen Bereich stark.

Aber: Zu einer dezentralen Energieversorgung gehört nicht nur Strom sondern – gerade für die Industrie und oft auch im gewerblichen Bereich – Wärme. Zudem sind Batterien zwar hervorragend zur netzdienlichen Integration dezentraler erneuerbarer Erzeugung und zur Erhöhung der Eigenversorgung geeignet. Zum „Verschieben“ größerer Erzeugung oder Lastspitzen sind sie aber einfach zu teuer.

Deswegen haben wir unsere Power-to-Heat-and-Power Stahlspeicher bewusst darauf ausgelegt sehr große Mengen erneuerbarer Energie für 4 Cent und weniger zu speichern – und dann kontinuierlich über zwei Tage und mehr als Strom und Wärme zur Verfügung zu stellen.

Denn gerade Industrie-Unternehmen haben oft große Wärmebedarfe – sei es Prozesswärme, z. B. Dampf für die Lebensmittelverarbeitung, oder auch die Versorgung eines städtischen Wärmenetzes. Angesichts eines prognostizierten Anstiegs der Gas- und CO2-Preise sowie den allgemeinen Anforderungen eines dekarbonisierten Energiesektors, erleben wir deshalb im gewerblichen und industriellen Bereich durchaus eine wachsende Nachfrage nach Speicherlösungen auch für Wärme.

 

MVeffizient: Welche Vorteile bietet der Hochtemperatur-Speicher mit Stahlkern von Lumenion gegenüber anderen Speicherlösungen? Für welche Anwendungsbereiche ist der Speicher besonders gut geeignet und ab welchem Strom- bzw. Wärmebedarf macht dieser wirtschaftlich Sinn?

Jennifer Hill: Durch die wesentlich geringeren Speicherkosten (ca. Faktor 10) eignet sich der Stahlspeicher gut, um viel größere Mengen an Energie wirtschaftlich zu speichern und diese (teilweise) in den Wärmesektor zu „schieben“. Damit leistet der Speicher einen Beitrag zur Sektorkopplung.

Von anderen thermischen Speichern (Flüssigsalz, Stein, Beton, Keramik) unterscheiden wir uns durch das geringe Speichervolumen, mit die höchste Speichertemperatur sowie unsere robuste, langlebige Bauweise. Stahl ist vollständig recycelbar und vermeidet somit die Herausforderungen, die korrosives Flüssigsalz oder Beton mit sich bringen. Schließlich hat der Stahl auch nach der Lebensdauer von mindestens 40 Jahren einen signifikanten Restwert.

Als Anwendungsbereiche bieten sich jegliche Orte an, wo einerseits Stromspitzen und anderseits ein Wärmebedarf vorhanden sind. Die maximale Speichertemperatur beträgt 650°C – somit lässt sich Prozesswärme bis zu 600°C bereitstellen. Ebenso ist aber eine anteilige Rückverstromung (25 – 30 %) zusammen mit der Versorgung eines Nah- oder Fernwärmenetzes mit bis zu 100°C möglich. Diese Optionen lassen sich auch kombinieren.

Ein grünes Gewerbegebiet in der Nähe eines Windparks oder eines Netzknotenpunktes wäre beispielsweise ein optimaler Einsatzort für den Speicher. Hier könnte sowohl die Wärmegrundlast für die Gebäudeklimatisierung als auch industrielle Prozesswärme CO2-frei bereitgestellt werden.

Bezüglich der Größenordnung gilt grundsätzlich „je größer, desto besser“. Die Auslegung richtet sich dabei primär nach dem bestehenden Wärmebedarf, da dieser den Großteil (75…95 %) der ausgespeicherten Energie darstellt. Der kleinste wirtschaftlich sinnvolle Lumenion-Speicher, eine 5 MWh-Einheit, deckt einen jährlichen Wärmebedarf in der Größenordnung von 0,9 bis 1,7 GWh*.

 

MVeffizient: Die Stromgestehungskosten für Onshore-Wind und PV liegen in Abhängigkeit von Anlagengröße und Standort lt. Fraunhofer ISE 2018 zwischen 3,7 und 11,5 Cent/kWh – sehr niedrig also im Vergleich zum durchschnittlichen Gewerbestrompreis von ca. 22 Cent/kWh. Welche Kosten entstehen bei der Speicherung mit dem Hochtemperatur-Speicher je kWh?

Jennifer Hill: Die Speicherkosten betragen bis zu 4 Cent/kWh, bei größeren Speichern durchaus auch nur die Hälfte davon. Zum Vergleich: Bei Lithium-Ionen-Batterien liegen die Speicherkosten in der Größenordnung von 10 Cent/kWh.

 

MVeffizient: Ermöglicht der Hochtemperatur-Speicher von Lumenion Gewerbebetrieben die völlige Energieautarkie also die gänzliche Abkopplung in Sachen Strom und Wärme vom Versorger?

Jennifer Hill: Das ist theoretisch möglich – unter der Voraussetzung, dass die Gewerbebetriebe über eine ausreichende eigene Stromgeneration bzw. einen entsprechenden Direktbezug verfügen. Praktisch wäre dies ohne einen ergänzenden saisonalen Speicher schwierig zu realisieren, sofern ein durchgehender Wärmebedarf vorhanden ist.

In den meisten Fällen wird daher eine (ergänzende) Anbindung ans öffentliche Stromnetz sinnvoll sein. Durch die Ausnutzung von Börsenpreisschwankungen und speziellen Verträgen mit dem Netzbetreiber, z. B. für „atypische Netznutzung“, lässt sich der Strom für den Speicher so zu geringeren Kosten beziehen als dies „normal“ für ein Gewerbe der Fall wäre.

 

MVeffizient: Welche Abgaben, Umlagen und Steuern fallen zusätzlich bei der Speicherung an, sofern der Speicher nicht in eine autarke Insellösung integriert ist? Welche gesetzlichen Änderungen oder Anreize würden Sie sich seitens der Politik wünschen?

Jennifer Hill: Obwohl unsere Speicher nachweislich das Netz entlasten, werden sie leider immer noch mit zum Teil den vollen Umlagen und Abgaben belastet. Dazu gehören u. a. das Netzentgelt, die Stromsteuer, die EEG-Umlage, die Konzessionsabgabe, sowie diverse weitere kleiner Umlagen und Abgaben (KWKG, abschaltbare Lasten, Offshore-Haftungsumlage,…). Die genaue Höhe dieser Gebühren schwankt dabei je nach Region und Kundentyp (Gewerbe- oder Industriekunde, maximal bezogene Leistung, Industriezweig…).

Da Speicher nach aktueller Gesetzeslage grundsätzlich sowohl als Energieverbraucher und -erzeuger gelten, wird die durch sie ausgespeiste Energie – sei es in Form von Strom oder Wärme – wieder mit den entsprechenden Gebühren belegt. Allerdings betrifft das nicht nur uns, sondern fast jede Speicher- oder PtX-Technologie. Im energiepolitischen Berlin herrscht daher große Einigkeit, dass sich das bald ändern muss – und wird.

Für bestimmte Arten von Speichern gibt es bereits Ausnahmeregelungen, die den Strombezug vollständig oder teilweise von der EEG-Umlage, der KWKG-Umlage sowie Netzentgelten befreien – und somit die Doppelbelastung von Speichern reduzieren. Dies betrifft jedoch nur „reine“ Stromspeicher. Ein sektorkoppelnder Speicher wie unserer erfüllt diese Definition höchstens anteilig.

Von der Politik würde ich mir daher zunächst eine sektorübergreifende Definition von „Energiespeichern“ wünschen, als Grundlage um alle systemdienlichen Speichertypen von der Doppelbelastung mit Umlagen, Abgaben und Steuern zu befreien.

Auch wäre es wünschenswert, dass der Direktbezug von Strom durch den Speicher, beispielsweise aus einem angrenzenden Windpark, regulatorisch erleichtert und von Gebühren befreit wird.

Ein Weg dahin wäre z. B. die vom Landtag Mecklenburg-Vorpommern im März 2019 geforderte „Experimentierklausel“ auf Bundesebene, die die Erzeuger regenerativen Stroms und Speicher als eine juristische Einheit zusammenfassen.

 

MVeffizient: Welche Fördermittel stellt das Land MV für die Integration eines Speichers für Unternehmen bereit?

Jennifer Hill: Das Landesförderinstitut in MV fördert Stromspeicher derzeit mit einer Grundförderung in Höhe von 30 Prozent; für Wärme-/Kältespeicher gibt es sogar 40 %. Kleineren und mittleren Unternehmen winkt ein zusätzlicher Bonus von 10 bzw. 20 Prozent.

 

*für einen 48- bzw. 24h-Zyklus des Speichers

 

Verfasst von: Kerstin Kopp